Col du Sanetsch, eine Strasse ans Ende der Welt

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Das PostAuto fährt wirklich in jeden noch so unscheinbar wirkenden Winkel der Schweiz, wie auf den Sanetschpass. Von Sion führt die Reise zuerst durch die Rebberge hinauf nach St-German. Hier wird die Zivilisation hinter einem gelassen und das Fahrzeug der Post kämpft sich die nächsten 1 1/2 Stunden auf der schmalen und kurvigen Strasse hoch auf den Col du Sanetsch. Vorbei am Stausee endet die Strasse schliesslich vor der Bergstation der Luftseilbahn. Diese bringt einem dann später hinunter ins Berner Oberland nach Gsteig, von wo es mit dem PostAuto bis ins mondäne Gstaad geht.

Am grossen PostAuto Bahnhof von Sion warten die Fahrzeuge auf ihre Abfahrt
Am grossen PostAuto Bahnhof von Sion warten die Fahrzeuge auf ihre Abfahrt

12.341, Sion - St-Germain (Savièse)

Diese unbekannte Reise nimmt ihren Anfang im grossen PostAuto-Bahnhof von Sion. Die Hauptstadt des Kantons Wallis ist Ausgangsort von zahlreichen interessanten Berglinien, wie zum Beispiel nach Derborence (322), zum Lac de Tseuzier (325), ins Val d`Hérens (381) oder eben jene hoch zum Sanetschpass. In der Sommersaison sieht der Fahrplan eine tägliche Verbindung zum 32 Kilometer weit entfernten Sanetschsee vor. Seit einigen Jahren beginnt die spektakuläre Berglinie erst in St-Germain. 

Rechts zwischen den Häusern ist das Château de Valère zu erkennen
Rechts zwischen den Häusern ist das Château de Valère zu erkennen

So muss zuerst mit der Linie 341 angereist werden, welche stündlich die auf dem Plateau oberhalb der Weinberge befindlichen Dörfer mit Sion verbindet. Nachdem der Anschluss von der Bahn abgenommen wurde, rollt das Fahrzeug der Post die Avenue de la Gare hinauf bis zum Knotenpunkt Sion Nord. Unterwegs hat man in Fahrtrichtung rechts Ausblick auf das Château de Valère. Die Basilika, wie sie auch genannt wird, ist eine Kirche, die auf einem der beiden Hügeln vor der Altstadt Sittens erbaut wurde. Sie beherbergt die älteste spielbare Orgel aus dem 15. Jahrhundert.

Für das Fahrzeug der Linie 341 geht es im Anschluss wieder zurück nach Sion
Für das Fahrzeug der Linie 341 geht es im Anschluss wieder zurück nach Sion

Danach lässt das PostAuto die Stadt hinter sich und die Strasse schmiegt sich langsam an zahlreichen Rebbergen vorbei am Berghang hoch nach St-Germain. Unterwegs ergibt sich ein herrlicher Ausblick hinunter ins Rhonetal. Nach rund 15 Minuten Fahrzeit trifft der Linienbus im 300 Meter höherliegenden  Ortskern von St-Germain ein, welcher zur Gemeinde Savièse gehört. Bereits seit 1932 ist der hier ansässige PostAuto-Halter mit der ÖV-Erschliessung der beliebten Vorortsgemeinde beauftragt. Bei der Haltestelle Centre heisst es für die Reisenden in Richtung Sanetsch umsteigen.

In St. Germain wartet das Hochflur-PostAuto auf die Gäste aus Sion
In St. Germain wartet das Hochflur-PostAuto auf die Gäste aus Sion

12.344, St-Germain (Savièse) - Barrage du Sanetsch

Im Zentrum von St-Germain beginnt eine der spektakulärsten PostAuto Linien überhaupt, welche gefühlt ans Ende der Welt führt. Doch der Reihe nach... Nachdem der Anschluss aus Sion abgenommen wurde und neben den Passagieren auch die Post und Zeitungen an Bord sind, kann die 1 1/2 Stündige Reise beginnen. Das PostAuto folgt nun der noch gut ausgebauten Route du Sanetsch ins Nachbarsdorf Chandolin. Ab hier verengt sich die Route in ein schmales Bergsträsschen. Dieses schmiegt sich nun an der steil abfallenden Flanke des Seitentals entlang.

So unscheinbar und doch so eindrücklich, die Schlucht bei der Teufelsbrücke
So unscheinbar und doch so eindrücklich, die Schlucht bei der Teufelsbrücke

In dieser kargen und unpassierbaren Gegend wird seit 1430 Wasser gefasst. Mithilfe von Holzkanälen wurde das aufgefangene Quellwasser an den Felswänden entlang nach Savièse geleitet. Die konstruktiv anspruchsvolle Linienführung des bis 1934 in Betrieb gewesenen Oberlaufs der Bisse du Torrent-Neufi gilt als beeindruckendste Suone im Kanton Wallis. Um diese alte Tradition zu bewahren, wurde 2005 ein Teil des Wasserlaufs rekonstruiert und mit einem spektakulären Wanderweg der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Doch zurück zur Reise. 

Ausblick auf den reissenden Bergbach
Ausblick auf den reissenden Bergbach

Derweil hat der Bergbus bei der furchteinflössenden Teufelsbrücke den reissenden La Morge Bach überquert. Im Anschluss folgen die ersten Haarnadelkurven, mit welchen weitere Höhenmeter bezwungen werden. Insgesamt gilt es zwischen Sion und der Passhöhe eine stolze Höhendifferenz von 1`780 Metern zu bewältigen. Auf der anderen Seite des Flusslaufes zeigt sich nun eine völlig neue Szenerie. Während bis vor wenigen Minuten noch karge Felsen und steile Abgründe den Ausblick aus dem Fenster prägten, zeigt sich nun eine grüne und stark bewaldete Landschaft.

Die schmale Strasse führt an der rechten Bergflanke entlang
Die schmale Strasse führt an der rechten Bergflanke entlang

Vorbei an vereinzelten Alpensiedlungen schlängelt sich die stetig ansteigende Strasse weiter ins Tal hinein. Nach rund 30 Minuten Fahrzeit wird das Restaurant Zanfleuron, welches am Ende des Morge-Tales liegt, mit einem lauten Klang aus dem Posthorn begrüsst. Wie im ganzen Tal ist der Linienbus auch hier für die Zustellung der Post zuständig - wie in den guten alten Zeiten eben. Nach dieser kurzen Verschnaufpause führt die Reise weiter bergwärts. Mit zahlreichen weiteren engen Spitzkehren windet sich die Strasse am steilen Bergrücken entlang dem Himmel empor. 

Der 650 Meter lange in den Stein gemeisselte Tunnel kann nur im Schritttempo durchfahren werden
Der 650 Meter lange in den Stein gemeisselte Tunnel kann nur im Schritttempo durchfahren werden

Mit jedem bewältigten Höhenmeter wird die Vegetation am Strassenrand denkenswerterweise spärlicher. Nachdem der Nétage Fluss mit einer kleinen Brücke überquert wurde, folgt eine weitere Ladung an Haarnadelkurven. Diese enden schliesslich vor einer imposanten Felswand. Nur ein kleines, direkt in den Stein gehauenes Tunnel führt weiter. Das stattliche Hochflur PostAuto passt nur mit Müh und Not hinein. Seit einigen Jahren ist der Tunnel beleuchtet, der Strom dafür wird mittels Solarpanel generiert. Dennoch ist und bleibt der Tunnel dunkel und sehr eng. 

 

  

 

Vor der Passhöhe wird die Lanschaft wieder grün
Vor der Passhöhe wird die Lanschaft wieder grün

So liegt nicht mehr als Schritttempo drin und der Chauffeur muss sich höllisch konzentrieren, dass er nicht mit den Rückspiegeln an der Tunnelwand  hängen bleibt. Und wenn das nicht genug wäre, ist der 650 Meter lange Tunnel durchgehend einspurig. So kann man nur hoffen, dass keiner entgegenkommt. Nachdem dieses wohl grösstes Hindernis passiert wurde, kommt wenig später das Hôtel du Sanetsch in Sicht. Von der Sonnenterasse des 1850 erbauten Hotels geniesst man bei schönem Wetter eine herrliche Aussicht auf bis zu fünf 4000er der Walliseralpen.

Auf über 2`200 Metern ist die Landschaft recht karg
Auf über 2`200 Metern ist die Landschaft recht karg

Ein paar Kurven weiter oben kann man auf der rechten Seite ein kleines, unscheinbares Häuschen erkennen. Es dient als Aufenthaltsort des PostAuto-Chauffeurs. Denn der Fahrplan sieht hier oben eine 6 stündige Pause vor. Früher rissen sich die Fahrer förmlich um diese Linie, denn der Zwangsaufenthalt wird mit 30 Prozent des Stundenlohns vergütet. Sie hätten sogar wochenweise mit der ganzen Familie hier oben gewohnt. Aber diese Zeiten gehören der Vergangenheit an. Kurze Zeit später ist die Passhöhe erreicht und der 2`252 Meter hohe Col du Sanetsch ist bezwungen.

 

 

Das IVECO PostAuto ist auf dem Rückweg zum Hotel Sanetsch, wo der Bus die knapp 7 stündige Pause absolviert
Das IVECO PostAuto ist auf dem Rückweg zum Hotel Sanetsch, wo der Bus die knapp 7 stündige Pause absolviert

Ohne viel Zeit zu verlieren führt die Reise weiter durch die felsige Hochebene. Hier entspringt auch die Saane, welche anschliessend via Gsteig - Montbovon - Schiffenensee bis in die Aare fliesst. An dessen Flussverlauf schlängelt sich die Strasse zum Sanetschsee hinunter. Die ersten Projekte eines Stausees auf 2`055 Metern kamen bereits nach dem 1. Weltkrieg auf, die Realisierung folgte jedoch erst im Jahre 1959. Für den Bau der Staumauer wurde die schmale Werkstrasse von der Walliserseite über den Sanetschpass gebaut. Das letzte Teilstück nach Gsteig 

Bei der Haltestelle Barrage endet die Reise mit der Linie 334
Bei der Haltestelle Barrage endet die Reise mit der Linie 334

wäre auf Grund des schwierigen und steil abfallenden Geländes zu aufwändig und zu teuer gewesen. So wurden diese Pläne verworfen und die Strasse endet inmitten einer faszinierenden Berglandschaft. Bei der Haltestelle Barrage ist die Endstation erreicht. Für den Chauffeur und sein Fahrzeug geht es nach einer kurzen Pause zurück zum Hôtel Sanetsch, wo der Dienstplan für ihn eine sieben stündige Pause vorsieht. Die einsame Gegend hier oben lädt zum Verweilen ein. Um richtig in die Bergwelt eintauchen zu können, empfiehlt sich eine rund einstündige Wanderung rund um den 29 Hektar grossen See. 

Mit der modernisierter Seilbahn geht es hinunter nach Gsteig
Mit der modernisierter Seilbahn geht es hinunter nach Gsteig

2397, Sanetsch-Gsteig

Nach dem Fussmarsch kann man sich beim Auberge du Sanetsch stärken. An schönen Sommertagen werden hier auch Tickets mit der Abfahrtszeit für die Seilbahn nach Gsteig verteilt. Denn die Kapazität der alten Werkseilbahn ist sehr beschränkt. 1989 wurde die Seilbahn mit Baujahr 1959 durch eine 8-Personen-Seilbahn ersetzt und seit dem Jahr 1994 steht sie der Öffentlichkeit zur Verfügung. Die Talfahrt hinunter nach Gsteig ist zwar mit rund zehn Minuten Fahrzeit um einiges kürzer, jedoch nicht weniger spektakulär.

 

 

Unterwegs durch die herrliche Bergwelt geht es 1000 Meter hinunter
Unterwegs durch die herrliche Bergwelt geht es 1000 Meter hinunter

Wenn ein paar Gäste in der Kabine Platz gefunden haben, ertönt ein lautes Klingeln und die Türen schliessen sich automatisch. Dann setzt der Seilbahnmaschinist, der übrigens unten im Tal sitzt, die 2015 revidierte und modernisierte Seilbahn in Bewegung. Auf der rasanten Talfahrt ergibt sich eine faszinierende Aussicht auf die schroffen Felswänden. Der Ausblick hier hinunter ist nichts für nicht Schwindelfreie. Weiter ist auch der alte Säumerweg erkennbar, auf dem schon vor vielen hundert Jahren mutige Leute die Alpen bezwungen haben. 1000 Meter weiter unten kommt die Seilbahn in Innertgsteig nach zehn Minuten wieder zum Stehen.

Im Hintergrund braut sich einiges zusammen, trotzdem ist die Gegend sehr sehenswert
Im Hintergrund braut sich einiges zusammen, trotzdem ist die Gegend sehr sehenswert

12.180, Gsteig-Gstaad

Der eine oder andere wird froh sein, wenn er die kleine und irgendwie provisorisch wirkende Seilbahn verlassen kann. Unten angekommen muss bis zum Dorfkern von Gsteig ein rund 20 minütiger Fussmarsch unternommen werden. Dabei führt der Spaziergang am Kraftwerk vorbei, welches das Wasser vom Stausee in grünen Storm verwandelt. Die Turbine produziert im Jahr 40 GWh sauberen, erneuerbaren elektrischen Strom. Das Dorf Gsteig ist geprägt von vielen wunderschönen und typischen Bauernhäusern, welche diese Gegend so einzigartig machen. 

Endstation Gstaad, Endpunkt einer faszinierenden und unbekannten Reise
Endstation Gstaad, Endpunkt einer faszinierenden und unbekannten Reise

Nach dem Dorfspaziergang wartet bei der Post, das von Col du Pillon herkommende PostAuto auf seine Fahrgäste. So brausen das Fahrzeug der Post durch die wunderbare grüne Landschaft, an vielen weidenden Simmentaler Kühen vorbei, bis zum Weiler Grund bei Gstaad. Von hier ist es nicht mehr weit bis zum Ort der Schönen und Reichen, Gstaad. An zahlreichen edlen Hotels vorbei sucht sich das PostAuto den Weg zum Bahnhof. Das Ziel ist erreicht. Hier nimmt diese lange, spezielle und geheimnisvolle Reise ihren Endpunkt.

 

anschlusslinien

AB GSTAAD:

 120, Gstaad - Zweisimmen / Montreux

12.181, Gstaad - Lauenen - Lauenensee

12.185, Gstaad  - Abländschen - Jaun

 


Last Update: 23.02.2024
Zuletzt gereist: 05.07.2016